2005

Werkzeuge für Winzlinge

Vor drei Jahren wurden Oliver G. Schmidt und sein Team für die Entwicklung von Verfahren ausgezeichnet, mit denen sich Bauteile von der Größe weniger Atome formen und positionieren lassen. Heute bauen sie sogar Nanoreaktoren.

Das Foto ging durch alle Magazine: eine Röhre, die sich wie eine Lage Geschenkpapier aufgerollt hatte, eine Minipipeline, deren Wände nur aus wenigen Atomen bestehen. Dieses Foto gewann erst kürzlich einen der Preise „Bilder aus der Wissenschaft 2004“. Für das jedoch, was das Foto tatsächlich zeigte, die Entwicklung maßgeschneiderter Nanobauteile nämlich, wurden Oliver Schmidt, Dr. Karl Eberle und Christoph Deneke bereits 2002 mit dem Philip Morris Forschungspreis ausgezeichnet.

Mittlerweile integrieren die Forscher winzige Kanäle, radiale Übergitter und Quantenpunktkristalle auf Halbleiterchips. Und sie bauen sogar Nanoreaktoren. Dazu hat das Team um Schmidt auf ein Substrat eine so genannte Opferschicht aufgedampft und dann ein zweites Material hinzugefügt, aus dem der Nanoreaktor bestehen sollte. Ätzt man die Opferschicht nun weg, faltet oder rollt sich die darüber liegende Schicht zu einer Röhre auf. „Wenn Sie so wollen, wie ein Origami auf Nanometerskala“, erklärt Schmidt. Diese Technologie kombiniert zwei Verfahren, die sich in der Nanoforschung bisher als Konkurrenten gegenübergestanden hatten. Auf der einen Seite steht der Top-down-Ansatz, bei dem Forscher versuchen, bekannte Technologien aus der Welt der großen Dinge zu verkleinern. Und auf der anderen Seite bringt Schmidt den Bottom-up-Ansatz ein, dessen Anwender versuchen, die Selbstorganisation der Natur zu nutzen, um auf atomarer Ebene Materialien herzustellen.

Ein konventionelles Bauteil, also eine Röhre, auf derart winzigem Niveau herzustellen und zu positionieren vereint beide Ansätze. Doch wozu lassen sich die Nanotubes nutzen? Zum Beispiel als Pipelines. „Wir haben bereits winzige Kanäle auf einem Chip integriert, um kleinste Flüssigkeitsmengen – einen so genannten Attoliter – von einem Ort zum anderen zu transportieren“, sagt Schmidt. Ein Attoliter ist der trillionste Teil eines Liters. Sprich: Auch eine Milliarde Attoliter wäre nur ein so winziger Tropfen, dass man ihn mit bloßem Auge weder sehen noch auf der Haut spüren könnte.

Doch Schmidts Miniröhren können noch mehr. Sie funktionieren auch als so genannte Nanoreaktoren. Hierfür wird die Röhre mit einem Laser erhitzt, wobei sich das Wandmaterial der Röhre verändert und Oxide wie Galliumoxid entstehen. „So können die Röhren direkt auf einem Chip Materialien erzeugen, aus denen sich wieder neue Bauelemente herstellen lassen. Aus Galliumoxid ließen sich zum Beispiel Isolatoren fertigen“, erklärt Schmidt. So viel versprechend ist die Arbeit des Wissenschaftlers, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung dem 34-jährigen Wissenschaftler eine eigene Nano-technologie-Forschungsgruppe finanziert, die er zurzeit am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart leitet. Seine Vorlesung zum Thema „Eine kritische Betrachtung der Nanotechnologie“ wurde vor einem halben Jahr mit dem Heinrich-Düker-Preis gekürt.

Ähnlich kritisch reagiert Schmidt dann auch auf die übliche Frage, die jedem Nanotechniker landauf, landab immer wieder gestellt wird, nämlich wann es so weit sein wird, dass Nanoreaktoren auf Chips arbeiten: „Das kann und das will ich nicht sagen. Wir sind, was die Nanotechnologie betrifft, noch in der Grundlagenforschung. Versprechen, die wir später nicht halten können, schaden der Forschung. Die Verbindung und Kommunikation zwischen unserer Welt und der Nanowelt ist zum Beispiel noch immer schwierig. Bisher versuche ich, einfache Ideen umzusetzen.“ Nach einer Pause sagt er: „Doch gerade das ist ja in der Wissenschaft das Schwierige.“ Und das Schöne, mag man dem vielleicht noch hinzufügen.

Priv.-Doz. Dr. Oliver G. Schmidt, Dr. Karl Eberle und Christoph Deneke wurden 2002 für ihre Entwicklung von maßgeschneiderten Nanobauteilen ausgezeichnet.