Über ferne Expeditionen, neue Forschungsschiffe und was man als Wissenschaftler anstellen muss, um als Romanheld verewigt zu werden.
PHILIP MORRIS STIFTUNG: Herr Bohrmann, die Tiefsee erfreut sich derzeit großer Beliebtheit …
GERHARD BOHRMANN: Allerdings. Gerade war ein Team von Spiegel TV bei uns, die wollen demnächst was über Gashydrate machen. Frank Schätzing, der den Bestseller „Der Schwarm“ geschrieben hat, hat es bei uns so gut gefallen, dass er zwei Tage blieb, als er für das Buch recherchiert hat. Der war sehr inspiriert. Haben Sie es gelesen?
PMS: Leider nur die ersten vier Seiten.
BOHRMANN: Schade, wenn Sie nämlich weitergelesen hätten, dann hätten Sie vielleicht gemerkt, dass Herr Suess und ich dort als Charaktere vorkommen.
PMS: Ach was! Und wie heißen Sie beide im Buch?
BOHRMANN: Erwin Suess und Gerhard Bohrmann, und wir bleiben sogar am Leben! Was eine große Ehre ist, wenn Sie bedenken, dass im Laufe der Handlung die halbe Menschheit umkommt.
PMS: Was halten Sie als Fachmann von dem Bestseller?
BOHRMANN: Gut. Die Themen der Meeresgeologie sind alle da: Gashydrate, unterseeische Vulkanausbrüche und dadurch hervorgerufene Rutschungen, Klimawandel, bis hin zu Tsunamis. Ich muss sagen: Der Forschungspreis brachte so manches. Aber seit „Der Schwarm“ steht nicht nur „Forscher“ oder „Preisträger“ hinter meinem Namen, sondern manchmal auch „Romanheld“.
PMS: Sind Sie als Forscher auch Abenteurer?
BOHRMANN: Nun ja, wir genießen es noch jedes Mal, wenn wir unbekannte Gebiete aufsuchen. Wir erforschen die natürlichen Vorgänge auf unserem Planeten. Das bleibt einfach spannend. Aber so wie der Astronaut seinen Job banaler erlebt, geht es bei unseren Exkursionen auch um ganz normale, alltägliche Problemstellungen.
PMS: Seit Februar 2006 haben Sie ein neues Forschungsschiff, die „Maria Sibylla Merian“ …
BOHRMANN: Tolles Schiff. Jetzt haben wir endlich ein neues Eisrandschiff. Die Ausrüstung ist traumhaft. Die Polarforscher können damit an den Rand des Packeises fahren und von dort aus mit Robotern und Sonden das Meer unter dem Eis erkunden. Als nächstes brauchen wir allerdings dringend ein neues Tropenschiff.
PMS: Wie viele Forschungsschiffe hat Deutschland?
BOHRMANN: Wir haben drei große, mit der „Merian“ vier mittelgroße und mehrere kleinere. Das ist viel, gemessen an unserer Küstenlinie. Aber für ein hoch entwickeltes Land ist so eine Flotte sinnvoll.
PMS: Wer entscheidet über den Einsatz?
BOHRMANN: Heimathafen und Träger. Die „Polarstern“ zum Beispiel kehrt jedes Jahr zurück, weil sie als Versorgungsschiff unserer Antarktisstation „hoheitliche Aufgaben“ übernimmt. Die „Sonne“ war 17 Jahre unterwegs, und dabei kein einziges Mal in Deutschland. Jetzt installiert sie das Tsunami-Frühwarnsystem.
PMS: Und fällt aus für Ihre Expeditionen.
BOHRMANN: Nach der „Merian“ wünschen wir uns nun ein Schiff, das für die Tropen sehr gut ausgestattet ist.
PMS: Wann geht die nächste Reise für Sie los?
BOHRMANN: Ich fliege am 11. März nach Panama, um von dort aus an Bord der „Meteor“ zu gehen und in den Golf von Mexiko aufzubrechen. Die Seekisten sind gepackt.
PMS: Man hört von 3-Tages-Schichten auf hoher See …
BOHRMANN: Nee, ich brauche meinen Schlaf. Wenn es kritisch wird, werde ich geweckt. Auf See ist das wichtigste, dass Sie klare Entscheidungen treffen können. Unser Tiefseeroboter taucht vom Frühstück bis zum Abendessen. Danach sind andere Sachen dran. Sie sehen, wir haben ein ganz normales Leben an Bord.
PMS: Dann wünschen wir Ihnen eine erfolgreiche – wie heißt es eigentlich, Exkursion oder Expedition?
BOHRMANN: Expedition. Klingt abenteuerlicher, aber es ist auch korrekter. Denn Heimathafen und Träger erforschen ja tatsächlich jedes Mal neues Terrain.
Prof. Dr. Gerhard Bohrmann war Mitglied des Teams von Prof. Dr. Erwin Suess, das 2001 für die Erforschung von Tiefsee – Gashydraten ausgezeichnet wurde.