2005

Die Zukunft ist biegsam

Flexible Laser aus Folien – für dieses Projekt wurde Jochen Feldmann 1999 ausgezeichnet. Sein Ziel: ein Folienlaser, der nicht durch Licht, sondern durch Strom angetrieben wird.

Für den Maßanzug der Zukunft werden wir uns nicht mehr von einem Schneider vermessen lassen müssen. Wir werden nicht mehr die Arme auszubreiten brauchen, kein Maßband wird mehr umständlich unsere Hüften umspannen. In der Zukunft werden wir in eine mannshohe, zylinderförmige Kabine steigen. Diese Kabine wird aus einer dünnen Folie bestehen. Der Zylinder wird, nachdem wir eingestiegen sind, kurz aufblitzen, und dann wird Laserlicht von allen Seiten gleichzeitig aus der Folie strahlen, unseren Körper sanft und ohne Berührung abtasten, keine Falte wird dem sensiblen Licht verborgen bleiben, bevor die Daten unserer Kurven an den Computer geschickt werden. Das wird sehr schnell gehen. Auch wird die Messung millimetergenau sein. Was immer die Zukunft bringt: Technisch gesehen werden wir perfekt sitzende Anzüge tragen. Nur die Mode muss noch mitspielen.
Um diese Zukunftsvision wahr werden zu lassen, sind etwas Fantasie und eine neue Art von Laser nötig. Die Folie, aus der die Vermessungskabine der Zukunft besteht, müsste von allen Seiten Laserstrahlen aussenden. Eine leu-chtende, Laserstrahlen versendende Fläche – und kein Gerät, das nur einen einzigen Punkt per Laserstrahl berührt. Solch einen Laser aus biegsamen Plastikfolien hat das Team von Physik-Professor Jochen Feldmann, 43, erdacht und gebaut. Und dafür wurde es 1999 mit dem Philip Morris Forschungspreis ausgezeichnet.

Feldmanns Laser besteht aus so genannten organischen Polymeren: langen, beweglichen Molekülketten, die unter dem Mikroskop aussehen wie gekochte Spaghetti. Kurios: Obwohl man aus Polymeren bereits Lasergeräte baut, weiß man wenig über die Moleküle, die Licht verstärken können, wenn sie einmal angestrahlt werden. Professor Feldmann und sein Kollege John Lupton von der Ludwig-Maximilians-Universität in München sind deshalb auf der Suche nach den Geheimnissen der Polymere, um in Zukunft noch günstigere und bessere Laser bauen zu können. Nicht nur für den Schneider der Zukunft, sondern auch für jedes andere Fachgebiet, in dem per Laser günstig und präzise vermessen werden soll. Welche Eigenschaften der Molekülkette sind für die Lasertätigkeit verantwortlich? Welche Rolle spielt die Molekülkette? „Stellen Sie sich vor, Sie müssten Spaghetti untersuchen. Auf Ihrem Teller liegt aber ein ganzes Knäuel. Was tun Sie dann? Sie ziehen die Spaghetti auseinander.“

Mit Hilfe der so genannten Einzel-Molekül-Spektroskopie verdünnen die Wissenschaftler die Polymermoleküle und können sie so einzeln betrachten. „Nur wenn wir grundlegende Dinge über die Polymere wissen, können wir sie in Zukunft gezielt einsetzen“, so Professor Dr. Feldmann. Feldmanns Vision ist ein Polymerlaser, der durch Strom angetrieben und nicht wie bisher durch Licht aufgeladen wird. Eine entscheidende Verbesserung, denn das bisherige Verfahren ist aufwendig und deshalb teuer. Wenn alles klappt, muss der Schneider der Zukunft seine Laserkabine nur noch per Kabel an die Steckdose anschließen. „Dafür müssen wir aber besser verstehen, wie der Stromtransport durchs Polymer funktioniert. Das ist eine unserer Aufgaben – daran arbeiten wir.“

Prof. Dr. Jochen Feldmann und Prof. Dr. Ulrich Lemmer wurden 1999 für die Entwicklung biegsamer Festkörperlaser ausgezeichnet.